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Der Schattenkönig



Hallo, ich bin die Königin.

Seit ich diesen Satz als Vierjährige sagte – hoch oben auf einem Pferd thronend, in die Kamera winkend – wurde er immer wieder schmunzelnd von meinen Eltern zitiert.Und er ist auf Video festgehalten. Wie witzig, oder?


Ich habe es allerdings vollkommen ernst gemeint. Es war kein Scherz .Hallo, hier bin ich. Ich bin die Königin.

Allerdings sollte keine Frau – und schon gar kein Mädchen – so von sich denken.Wie hochnäsig. Wie arrogant. Als wäre eine Königin nicht in voller Liebe, Weisheit und Würde durch die Welt gegangen.

Ich glaube, irgendwann habe ich selbst angefangen, meinen inneren Adel zu belächeln. Damit sich der Rest wohler fühlt in meiner Gegenwart. Das hat eine Zeit lang ganz gut funktioniert. Bis es eben nicht mehr funktionierte.

Darum soll es aber jetzt nicht gehen.


Ich habe versucht, sie wiederzufinden: Die Vierjährige. Die Königin. Auf dem Rücken eines starken Pferdes. Der Welt zuwinkend. Ich bin tief gegangen. Sehr tief. Es war dreckig, es war unbequem. Aber irgendwann kam sie zum Vorschein – meine verschlammte Krone. Ich habe sie geputzt. Und ich habe sie mir aufgesetzt.

Zugegeben: Ab und zu rutscht sie mir noch vom Kopf. Aber das ist in Ordnung. Man muss sich schließlich daran gewöhnen, das Haupt nicht hängen zu lassen. Die Nackenmuskulatur will trainiert werden.

Langer Weg, kurz beschrieben.


Und genau jetzt, wo ich den letzten Dreckkrümel weggewischt und den letzten Edelstein poliert habe –da tritt er in mein Leben.

Er betritt meinen Raum, meine Welt.Mit funkelnden Augen, voller Begeisterung für mich. Für mein Wesen.Anbetung. Annahme. Endlich.

Doch wer darauf reagiert, ist nicht die erwachsene Königin. Noch nicht. Sie ist im Training. Es reagiert das verletzte Kind. Das abgewiesene Mädchen. Die unsichere junge Frau.

Sie reagiert auf einen Mann, der seine Krone selbst noch sucht. Den Schattenkönig.

Und ich spüre seine Größe. Ich verliebe mich in sie. Ohne Sicherheitsseil tauche ich ein – in diese Fluten aus Freude, Leidenschaft und Sehnsucht. Es ist wild. Zügellos. Frei.

Das geht eine ganze Weile so.Bis ich fast ertrinke.

Ich schlucke Wasser. Ich huste. Ich weine mir die Seele aus dem Leib. Ich kämpfe mich ans Ufer. Gerade noch rechtzeitig. Und ich liege erschöpft im Sand. Ich blicke zur Seite. Meine Krone ist noch da. Poliert. Wartend.

Ich sehe ihn noch. Dort im Wasser. Irgendwo zwischen Lebensfluss und Untergang. Ich würde so gerne nach deiner Krone suchen. Wirklich. Ich wünschte, du würdest sie tragen.Ich weiß, dass es sie gibt. Auch für dich.

Aber ich kann nicht. Ich kann nicht auch noch dich retten.


Ich blicke zur Seite. Sie schimmert. Gold und bunte Farben. Wunderschön. Detailliert. Fantastisch.

Ich greife nach meiner Krone. Ich puste die letzten Sandkörner weg. Ich raffe mich auf.

Und endlich – stehe ich aufrecht. Ich schmücke mein Haupt. So wie es immer schon hätte sein sollen.

Ich werfe einen letzten Blick auf dich. In den wilden Wellen. Ein Teil von mir wartet noch, ob du ans Land kommst. Ob du im Dickicht deine Krone suchst und aus dem Schatten holst.

Du sagst: „Es ist okay, so wie es ist. Kein Drama.“

Und mehr brauche ich nicht zu hören.


Ich verabschiede mich. Und ich mache mich auf die Reise.

Ich werde nicht warten, während du im Schatten bleibst. Es tut weh. Ein bisschen. Denn ich weiß, es wäre gar nicht so schwer. Aber für dich ist es unmöglich. Und das ist in Ordnung.

Ich beginne meinen Weg. Von hier an.

Mein Haupt ist oben. Alle paar Meter rutscht die Krone. Ich richte sie erneut. Ich übe. Bis sie eines Tages perfekt in Balance ist.

Bis dahin reicht es, sie nicht mehr zu verlieren.

 
 
 

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LINDA

KOPROWSKI

Counseling für authentische Sichtbarkeit
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